TED Talk 08.05.2021

In einer von zwei Kolleg*innen und mir durchgeführten Studie zum Kommunikationsverhalten von Führungskräften (N= 82, Alter zwischen 33 und 65) im Sektor Wissenschaft, Forschung, Bildung und Entwicklung während der ersten Lockdownphase (März/April 2020), zeigt sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen den Persönlichkeitsmerkmalen der Führungskräfte und ihrem Vermögen in der Krisensituation effektiv und motivierend mit ihren Mitarbeiter*innen zu kommunizieren (Elsner, Türktorun & Horz, in Vorb.). 

Führungspersonen, die nach dem sogenannten BIG FIVE Modell, das die Hauptdimensionen unserer Persönlichkeit abbildet, eine hohe Ausprägung im Persönlichkeitsmerkmal Offenheit für neue Erfahrungen haben, zeigen sich effektiv im Umgang mit den Bedürfnissen und Interessen ihrer Mitarbeitenden und setzten sich effektiv für die Belange ihrer Organisation ein. Gleichermaßen sorgen sie mit ihrem Verhalten für Zufriedenheit bei ihren Mitarbeiter*innen und versuchen die Zusammenarbeit im Sinne dieser zu gestalten. Ihr Verhalten ist vor allem eines – motivierend, denn: Sie drücken sich, trotz aller Herausforderungen, die die Krise mit sich bringt, optimistisch über die Zukunftsziele und -visionen aus. 

Auch Führungspersonen, die extravertiert und gewissenhaft sind, gelingt es die Gruppenführung effektiv zu gestalten und auch sie sorgen und bemühen sich um die Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter. Neurotische Führungspersonen hingegen, also solche, die emotional eher labil sind und sehr sensibel auf Stress reagieren, können motivationssenkend auf die Teammitglieder wirken, indem sie z.B. eher zu Pessimismus neigen.

Eine optimistische Führungshaltung zu zeigen in einer offenkundig schwierigen Situation, sollte dabei nicht mit „Schönmalerei“ verwechselt werden. Vielmehr geht es um eine realistisch-positive Grundhaltung, verbunden mit dem Glauben an die eigene Selbstwirksamkeit. Dass eine solche Haltung nicht nur zu erhöhter Zufriedenheit und effektiveren Arbeitsweisen bei Mitarbeiter*innen und der Führungskraft selbst führen kann, sondern auch in einem gesundheitsförderlichen Umgang mit Stress mündet, zeigt eine vor wenigen Tagen in der Zeitschrift Nature erschienene Studie zum Zusammenhang zwischen psychosozialen Faktoren und Resilienz während der Corona Krise (https://www.nature.com/articles/s41398-020-01150-4).

Hier wurden während des März/ April Lockdowns 15.970 Erwachsenen in ganz Europa befragt, mit dem Ziel einflussreiche soziale, mentale und physische Faktoren hinsichtlich ihrer Resilienz zu identifizieren. Resilienz wurde in diesem Zusammenhang als gute psychische Gesundheit trotz stressauslösender Faktoren (u.a. negative politische Ereignisse, häusliche und professionsbezogene Konflikte und Uneinigkeiten, belastende Erfahrungen und Aufgaben am oder mit dem Arbeitsplatz oder der (Aus-)Bildungsstätte) erfasst. 

Die Ergebnisse der Studie zeigen: Im Vergleich zu anderen Resilienzfaktoren hat eine positive Einschätzung insbesondere der Folgen der Corona-Krise den stärksten Einfluss auf eine schnelle Erholung von der ersten mentalen und/ oder körperlichen Stressreaktion.

Die Studie bestätigt damit auch im Kontext der Corona Krise, was bereits seit längerem für einen gesunden Umgang mit anderen Stress- und Krisensituationen belegt ist: Ein tendenziell positiver Bewertungsstil belastender und herausfordernder Situationen ist die beste Prävention gegen stressbedingte Erkrankungen. (siehe hierzu: https://www.cambridge.org/core/journals/behavioral-and-brain-sciences/article/abs/conceptual-framework-for-the-neurobiological-study-of-resilience/E07B7728571B9D3F82B1D44DDD134E5F).

Darüber hinaus bestätigt die europäische Studie einen negativen Zusammenhang zwischen dem Persönlichkeitsmerkmal Neurotizismus, einem positiven Bewertungsstil und damit auch dem positivem Umgang mit Stress im Sinne der Resilienz.

Die gute Nachricht für Neurotiker: Optimistisches Führen und die positive Bewertung einer schwierigen Situation kann man lernen

In emotional belastenden Situationen wie der Coronakrise orientieren sich Mitarbeiter*innen besonders stark an der Führungskraft. Einer guten Führungskraft gelingt es in dieser Situation positive Emotionen, Optimismus und Selbstwirksamkeitsüberzeugungen bei den Geführten zu erzeugen, indem sie selbst ein hohes Maß an Optimismus, Selbstregulation und Integrität an den Tag legt. Eigenschaften der authentischen Führung also (vgl. z.B. Luthans und Avolio 2003).

Führungskräfte mit einer hohen Ausprägung in der Dimension „Offenheit für Neues“ haben hier gute Karten, intrinsisch das Richtige zu tun, was aber nun tun Führungskräfte, die eine neurotische Persönlichkeit an den Tag legen?

Wenngleich sich die Persönlichkeit eines Menschen nur sehr schwer bis gar nicht ändern lässt, besteht kein Grund zur Resignation. Auch neurotische Führungskräfte können einen realistischen Optimismus entwickeln und damit auch Zufriedenheit und Resilienz im Team und bei sich selbst erzeugen. 

Wie das geht?

1. Bewusstmachung des eigenen Verhaltens durch Kenntnis seiner eigenen Persönlichkeit

Häufig wird eine Veränderung bereits durch die Bewusstwerdung der eigenen Persönlichkeitsmerkmale in Gang gesetzt. Ich persönlich bin ein großer Fan des Linc Personality Profilers, einem validierten Persönlichkeitstest, den ich gerne in meiner Coachingpraxis einsetze (https://linc-institute.de/lpp-persoenlichkeitstest-bigfive/). Die Bewusstwerdung unseres persönlichen Profils kann dann zu einer gezielten Beobachtung des eigenen (Kommunikations-)verhaltens und der sich daraus ergebenden Auswirkungen auf unser Befinden und das anderer führen. Dies schließlich ist ein erster Schritt in Richtung Veränderung. 

2. Entscheidung für alternative Bewertungs- und Verhaltensstrategien

An zweiter Stelle steht die bewusste Entscheidung für ein alternatives Verhalten und einer veränderten Haltung. Hier kann allein die Tatsache schon helfen, dass man weiß, dass eine pessimistische und negative Bewertung der Situation die Lage eher verschlechtern als verbessern wird, insbesondere was die eigene psychische Gesundheit betrifft, aber auch die Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeitenden. Vor diesem Hintergrund gilt es ganz gezielt die Chancen einer Krisensituation herauszuarbeiten und zu überlegen, was der eigene Beitrag und der der des Teams zur Verbesserung der Lage sein kann und entsprechende Ziele und Maßnahmen zu formulieren.

3. Veränderung bewerten

An dritter Stelle geht es darum, die damit verbundenen neuen Bewertungsstrategien, Haltung und Verhaltensweisen (inklusive optimistischer Kommunikationsstrategien) auszuprobieren und deren Effekte im Nachgang zu bewerten. Auch wenn wir dadurch sicher keine andere Persönlichkeit entwickeln, positive Erfahrungen durch eigenes Verhalten brennen sich – genauso wie negative Erfahrungen – in unser Gedächtnis ein. Die bewusste optimistische Bewertung einer Krisensituation wie Corona ist deshalb nicht nur gesünder für uns, sondern auch ein erster Schritt zur Unterbrechung schädigender Verhaltensmuster.

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